Kreisgruppe Helmstedt

Merkblatt Nr. 1

A. Ordnungsgemäße Forstwirtschaft, Gute fachliche Praxis

Die Bezeichnung „ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ als allgemeiner Begriff basiert auf der Definition der Agrarministerkonferenz vom 20. Februar 1989 und wird gestützt durch die Helsinki-Konferenz von 1993, verabschiedet auf der Folgekonferenz vom 2. bis 4. Juni 1998 in Lissabon.

Von der forstwissenschaftlichen Literatur und der Praxis geprägte allgemeine Grundsätze ordnungsgemäßer Forstwirtschaft sind auch die pflegliche und planmäßige Bewirtschaftung des Waldes und daneben der Grundsatz der Nachhaltigkeit (Langjährigkeit) der Bewirtschaftung:

  • Pfleglich wird bewirtschaftet, wenn der Boden, die Bodenfruchtbarkeit, ein nach Baumarten und Altersaufbau biologisch gesunder Waldbestand erhalten, die erforderlichen Pflege- und Vorbeugungsmaßnahmen gegen Schädigungen durchgeführt werden und der Wald schonend genutzt und erschlossen wird.
  • Planmäßig wird der Wald bewirtschaftet, wenn durch periodische oder jährliche Betriebspläne (Forsteinrichtungswerke, Wirtschaftspläne) der Waldzustand erfasst und der Betriebserfolg überprüft wird.
  • Nachhaltig ist u.a. eine Forstbewirtschaftung, wenn unabhängig von gegenwärtig möglichen Nutzungen die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion der Waldfläche stetig und auf Dauer erbracht werden können.

Gesetzlicher Rahmen in Niedersachsen

Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) vom 21. März 2002 (Nds. GVBl. S. 112).

§ 11 Ordnungsgemäße Forstwirtschaft, eigendynamische Waldentwicklung (Auszug)

Satz (1) Die waldbesitzende Person hat ihren Wald ordnungsgemäß, insbesondere nachhaltig zu bewirtschaften und dabei zugleich der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes Rechnung zu tragen (ordnungsgemäße Forstwirtschaft).

Ordnungsgemäß ist die Forstwirtschaft, die nach den gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft und den bewährten Regeln der Praxis den Wald nutzt, verjüngt, pflegt und schützt.

Satz (2) Kennzeichen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft sind insbesondere:

  1. Langfristigkeit der forstlichen Produktion,
  2. Sicherung nachhaltiger Holzproduktion und Erhaltung der Waldökosysteme als Lebensraum einer artenreichen Pflanzen- und Tierwelt durch Hinwirken auf gesunde, stabile und vielfältige Wälder,
  3. ausreichender Umfang von Alt- und Totholzanteilen zur Sicherung der Lebensräume wild lebender Tiere, Pflanzen und sonstiger Organismen,
  4. bei Aufforstungen Wahl standortgerechter Baumarten unter Verwendung geeigneten Saat- und Pflanzengutes bei Erhaltung der genetischen Vielfalt,
  5. bedarfsgerechte Walderschließung unter größtmöglicher Schonung von Landschaft, Boden und Bestand,
  6. Anwendung von bestands- und bodenschonenden Techniken, insbesondere bei Verjüngungsmaßnahmen, Holznutzung und -transport,
  7. standortangepasster Einsatz von Pflanzennährstoffen, soweit er zur Erhaltung oder Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit erforderlich ist,
  8. möglichst weitgehender Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, Einsatz des integrierten Pflanzenschutzes,
  9. Hinwirken auf Wilddichten, die den Waldbeständen und ihrer Verjüngung angepasst ist, sowie
  10. Maßnahmen zur Waldschadensverhütung.

Die Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung ist verbindlicher Teil der Ordnungsgemäßen Forstwirtschaft. Nachhaltige Bewirtschaftung wurde 1993 in Helsinki auf der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa wie folgt definiert (Resolution H 1, Punkt D.):

„Nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet die Betreuung von Waldflächen und ihre Nutzung auf eine Weise und in einem Maß, dass sie ihre biologische Vielfalt, Produktivität, Verjüngungsfähigkeit und Vitalität behalten sowie ihre Fähigkeit, gegenwärtig und in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen und dass anderen Ökosystemen kein Schaden zugefügt wird.“

Auch hier wird es erforderlich, die Kriterien und Indikatoren der sog. Helsinki-Liste auf die nationalen Verhältnisse umzusetzen und in der forstlichen Praxis bundesweit einheitlich zu handhaben. Hierzu hat z.B. der Arbeitskreis Zustandserfassung und Planung der Arbeitsgemeinschaft Forsteinrichtung 1999 einige Instrumente geliefert.

(Natürliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Nachhaltigkeitskriterien in der Forsteinrichtung - Bericht der Arbeitsgruppe Arbeitskreis Zustandserfassung und Planung)

Die Einhaltung der Regeln der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft ist eine bindende Verpflichtung für alle Waldbesitzer! Sie ist im Gesetzestext so hinreichend bestimmt, dass sie verwaltungsrechtlich durchgesetzt werden kann (und muss!) und bewegt sich im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums.

Für die Bewirtschaftung von Landes-, Kommunal-, Stiftungs- und Genossenschaftswald gelten darüber hinaus gehende Sonderregelungen. Diese Wälder sind juristische Personen des öffentlichen Rechts und haben mit ihrer Gemeinwohlverpflichtung eine gesteigerte öffentlich-rechtliche Bindung im Verhältnis zum sonstigen Privatwald. Diese Pflichten sind im § 15 - NWaldLG festgelegt.

Zu ihnen gehört z.B., dass die Bewirtschaftung nach periodischen Betriebsplänen und jährlichen Wirtschaftsplänen zu erfolgen hat, wobei Kommunal- und Genossenschaftswald kleinerer Größe auch nach Betriebsplänen in vereinfachter Form wirtschaften dürfen.

Für den Landeswald ergeben sich über die ordnungsgemäße Forstwirtschaft hinaus im § 15 (4) NWaldLG darüber hinausgehende besondere Pflichten:

„Der Landeswald ist zum Wohl der Allgemeinheit, insbesondere unter Beachtung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes, zu bewirtschaften.“

Hier wird deutlich, dass besonders der Wald des Landes Niedersachsen nicht nur eine fiskalische (forstwirtschaftliche) Funktion hat, sondern wegen der herausgehobenen Pflichten auch Aufgaben der Daseinsvorsorge, also öffentlich- rechtliche Aufgaben, wie die Sonderpflichten insbesondere des LÖWE-Programms (Niedersächsisches Regierungsprogramm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung in den Landesforsten, Kabinettsbeschluss vom 23. Juli 1991) und der Regelung über Naturwälder aufzeigen.

Für die Landesforsten gilt die grundsätzliche Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit der Nutz-, Schutz- und Erholfunktion des Waldes. Das LÖWE- Programm ist verbindliche Dienstanweisung in den Landesforsten!

Anmerkung:

Die ordnungsgemäße Forstwirtschaft ist ein umfassender Bewirtschaftungsstandard, der zwingend und ohne Entschädigungsanspruch von jedem Waldbesitzer im Rahmen der Sozialbindung einzuhalten ist. Es ist also kein herausgehobenes Naturschutzprogramm, sondern bereits mit betriebswirtschaftlichen Anforderungen abgewägt!

Herausgehobene und besondere Anforderungen ergeben sich durch die Umweltgesetzgebung (z.B. Flächen-, Arten-, Boden-, Wasserschutz).

Sie sind u.U. Bewirtschaftungseinschränkungen, die über die Sozialbindung des Eigentums hinausgehen. An diesem Punkt greifen anreizende zusätzliche Instrumente der Forstpolitik (z.B. Förderung, Zertifizierung, ökologische Honorierungssysteme, Vertragsnaturschutz).

B. Bewährte Regeln der Praxis (Gute fachliche Praxis)

Was ist nun z.B. im Rahmen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft ein ausreichender Umfang von Alt- und Totholzanteilen, was ist eine bedarfsgerechte Walderschließung (Forstwege, Rückegassen) unter größtmöglicher Schonung von Landschaft, Boden und Bestand, was sind bestands- und bodenschonende Techniken? Was heißt eigentlich ausreichend?

Im Rahmen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft müssen also auch Kriterien zur „Guten fachlichen Praxis“ definiert werden, und zwar als Grenze, jenseits welcher Leistungen ausgleichspflichtig sind. Es handelt sich also um Mindeststandards des Naturschutzes (im Sinne von ausreichend) auf der Basis der Sozialbindung des Eigentums.

Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG 2002) spricht daher im § 5 - Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft - von der Beachtung von Grundsätzen der guten fachlichen Praxis. Im Satz (5) heißt es:

„Bei der forstlichen Nutzung des Waldes ist das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften.“

Mit der Einhaltung der Mindeststandards guter fachlicher Praxis ist in der Regel noch nicht gesichert, dass allen Belangen des Naturschutzes auf gute oder gar optimale Weise entsprochen wird!

Deshalb enthalten Arten- und Flächenschutzbestimmungen weitere Einschränkungen und ggf. Verbote, die jeder entschädigungslos zu beachten hat und die teilweise Bußgeld- oder Strafbestimmungen unterworfen sind.

Das Institut für Forstpolitik der Universität Freiburg wurde 2002 vom Bundesamt für Naturschutz mit einem Gutachten „Naturschutz und Forstwirtschaft - Kriterienkatalog zur Guten fachlichen Praxis“ beauftragt. Das 2003 vorgestellte Ergebnis ist ausgesprochen weich formuliert und traf trotzdem auf massive Kritik der Vertreter privater Waldbesitzerverbände. Es beschreibt lediglich eine naturschutzfachliche Mindestanforderung an die Waldbesitzer auf der Basis der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und bildet einen Sockel der Anforderungen des integrativen Naturschutzes an die Forstwirtschaft. Über diesen Sockel der Guten fachlichen Praxis hinausgehende naturschutzfachliche Ansprüche sind von der Sozialpflichtigkeit nicht abgedeckt und müssen über weitere Instrumente erfüllt werden. WINKEL und VOLZ nennen hier vor allem:

  • konzeptionell verankerte Zusammenführung und Ergänzung des bereits bestehenden Netzes von Waldschutzgebieten; eindeutige Definition der Schutzziele in den Gebieten sowie eindeutige Festlegung der dort zulässigen Maßnahmen forstlicher Bewirtschaftung,
  • konsequente Integration ökologischer Anforderungen in bestehende Fördersysteme. Erarbeitung neuer, ökologisch orientierter Honorierungssysteme (VOLZ 1992, 1998) auf der Basis einer akzeptierten Definition der Guten fachlichen Praxis.

(Nachzulesen in WINKEL, G. & VOLZ, K.-R. (2003) Naturschutz und Forstwirtschaft, Kriterien zur Bewertung der Guten fachlichen Praxis, Schriftenreihe „Angewandte Landschaftsökologie“, Band 52; Landwirtschaftsverlag, Münster-Hiltrup. 194 S.).

Wichtig ist aber:

Es kann keine Förderung für Maßnahmen geben, die jeder Waldbesitzer im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums gesetzlich erfüllen muss, es sei denn, es ist so gewollt und ausdrücklich bestimmt.

Die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung forstwirtschaftlicher Maßnahmen (RdErl.d.ML v. 1.4.2003 - 404-6403071-1.5 -, geändert durch RdErl.v. 27.7.2005 - 406-64030/1-1.7- Nds. MBl. S.57/2006)“ macht eine Förderung davon abhängig (1.4 - Zuwendungsvoraussetzungen), dass die Maßnahmen rechtlichen Bestimmungen nicht zuwiderlaufen, den Grundsätzen und Zielen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft gemäß § 11 NWaldLG vom 21.03.2002, der Raumordnung und Landesplanung, dem Schutzzweck geschützter Teile von Natur und Landschaft, der Bauleitplanung sowie Aussagen und Zielen raumbedeutsamer verbindlicher Fachplanungen entsprechen.

Falls die Bewilligungspraxis diese Grenzen der Förderfähigkeit nicht beachtet, bewegt sie sich im Bereich der Subventionserheblichkeit (StGB § 264 - Subventionsbetrug). Die Mithilfe eines Amtsträgers, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, gilt als besonders schwerer Fall im Sinne von § 264 (2) Nr.3.

Die Beachtung der Grenzen der Sozialpflichtigkeit ist in der Sache deshalb bedeutsam, weil die verfügbaren Fördermittel so gering bemessen sind, dass sie unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Wirksamkeit nur da eingesetzt werden sollten, wo ein tatsächlich zusätzlicher Beitrag zum Waldnaturschutz geleistet wird.

17 Kriterien der Guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft nach WINKEL & VOLZ:

  1. Naturverjüngung: Bei der Verjüngung des Waldes ist Naturverjüngung in Abhängigkeit von betrieblichen Zielsetzungen und vorhandenen Ausgangsbedingungen anderen Verjüngungsverfahren vorzuziehen. Dies gilt vor allem, wenn es sich beim Altbestand um einen genetisch besonders erhaltenswerten Bestand handelt.
  2. Sukzessionale Elemente: Die Integration sukzessionärer Elemente (Vorwaldstadien, begleitende Weichlaubhölzer) in die Waldentwicklung ist ein Kennzeichen Guter fachlicher Praxis in der Forstwirtschaft. Der Aushieb von Pionierbaumarten sollte vermieden werden, es sei denn, die waldbaulichen Zielsetzungen des Waldeigentümers würden beeinträchtigt.
  3. Sukzessionsflächen: Die Wiederbegründung von Wald kann durch natürliche Sukzessionsprozesse erfolgen, sofern diese innerhalb einer absehbaren Zeitspanne zu einer Wiederbewaldung der Fläche führen.
  4. Befahren des Waldbodens: Flächiges Befahren der Waldböden, darunter fällt auch eine über die Zeit changierende Befahrung, ist kein Kriterium Guter fachlicher Praxis in der Forstwirtschaft. Die Befahrung der Waldböden sollte sich auf wiederauffindbare (dokumentierte) Erschließungslinien beschränken.
  5. Bodenbearbeitung: Die Bearbeitung des Bodens sollte sich auf ein absolut notwendiges Maß beschränken. Insbesondere sollte die natürliche Struktur des Waldbodens bei der Bodenbearbeitung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
  6. Walderschließung: Bei der Erschließung des Waldes sind im Rahmen der Guten fachlichen Praxis das Landschaftsbild, der Waldboden und der Bewuchs zu schonen sowie weitere Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu beachten. Grundsätzlich sollte auf die Befestigung von Waldwegen mit Schwarzdecken verzichtet und der Bau von Wegen in sehr steilem Gelände vermieden werden.
  7. Mindestalter von Endnutzungsbeständen: Endnutzungen von Nadelbaumbeständen unter 50 Jahren und Laubbaumbeständen unter 70 Jahren, mit Ausnahme von Niederwaldbeständen, sonstigen Stockausschlagbeständen, Weichlaubholzbeständen und erheblich geschädigten Beständen sind nicht Kennzeichen Guter fachlicher Praxis in der Forstwirtschaft. Dieses Kriterium gilt nicht für Endnutzungen von standortfremden Reinbeständen, die dem Umbau dieser Bestände in standortgemäße Waldbestände dienen.
  8. Schutz von Biotopbäumen: Nist und Höhlenbäume sind bei der forstlichen Nutzung in Abwägung ihres naturschutzfachlichen Wertes mit sonstigen forstlichen Zielsetzungen zu schonen. Insbesondere ist auf eine forstliche Nutzung von Höhlenbäumen im Zeitraum zwischen dem 1.3. und dem 31.8. gänzlich zu verzichten (siehe auch Artenschutzregelungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002). Auf die Nutzung von Horstbäumen sowie auf die Nutzung höhlenreicher Altbäume ist im Rahmen der guten fachlichen Praxis zu verzichten.
  9. Integrativer Naturschutz im Wirtschaftswald: Wälder sollen auch außerhalb von ausgewiesenen Naturwaldparzellen und außerhalb ausgewiesener Vorrangflächen einen in Menge und Qualität ausreichenden Bestand an Alt- und Totholzanteilen aufweisen. Darüber hinaus sind Vorkommen seltener Baumarten, Lichtungen, Waldwiesen und Saumbiotope zur Sicherung der Lebensräume wildlebender Tiere, Pflanzen und sonstigen Organismen in ausreichendem Umfang zu erhalten. Insbesondere sind im Rahmen der Guten fachlichen Praxis Maßnahmen zu unterlassen, die zu einer erheblichen Verschlechterung des naturschutzfachlichen Wertes derartiger Strukturen führen.
  10. Waldränder: Die besondere Beachtung der ökologischen Funktionen der Waldränder ist ein Kriterium Guter fachlicher Praxis in der Forstwirtschaft. Maßnahmen, die zu einer Verschlechterung dieser ökologischen Funktionen führen, sind nicht Bestandteil der Guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft.
  11. Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Holzschutzmittel im Wald: Im Rahmen der Guten fachlichen Praxis ist der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden, Herbiziden und Holzschutzmitteln im Wald auf ein Minimum zu beschränken. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Bestand sollte nur als letztes Mittel bei drohenden schwerwiegenden Waldschäden auf der Basis fachkundiger Begutachtung erfolgen. Auf den Einsatz von Herbiziden ist grundsätzlich zu verzichten, Ausnahmen bedürfen einer Genehmigung. Der Einsatz von Holzschutzmitteln (Polderspritzungen) soll durch eine entsprechende Steuerung des Holzeinschlags, durch Ausnutzung aller logistischen und organisatorischen Möglichkeiten weitgehend vermieden werden.
  12. Schalenwildbewirtschaftung: Angepasste Wilddichten sind eine wesentliche Voraussetzung naturnaher Forstwirtschaft. Der Forstbetrieb sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf hinwirken, dass die Verjüngung der Hauptbaumarten (ökonomisch und ökologisch klassifiziert) ohne Maßnahmen der Wildschadensverhütung möglich ist. Die Bejagung des Schalenwildes sollte sich an der Zielsetzung orientieren.
  13. Gentechnik und Forstwirtschaft: Die Einbringung gentechnisch modifizierter Organismen in den Wald ist nicht Bestandteil der Guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft.
  14. Reinbestände: Das aktive Begründen (umfasst neben Pflanzung und Saat auch das Hinwirken auf Reinbestände mittels Läuterungen) von Reinbeständen ( eine Baumart besitzt einen Anteil von mindestens 90% der überschirmten Fläche) mit standortwidrigen oder fremdländischen (nach 1500 n. Chr. durch den Menschen in Mitteleuropa eingeführt) Baumarten größer 3 ha Fläche ist nicht Bestandteil der Guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft.
  15. Fremdländische Baumarten: Im Rahmen Guter fachlicher Praxis sollten auf Betriebsebene Bestände, die von fremdländischen Baumarten dominiert werden, einen Flächenanteil von einem Drittel nicht überschreiten.
  16. Düngung des Waldes: Forstliche Düngung orientiert sich am Prinzip der Standörtlichkeit. Sie kommt daher nur zum Einsatz, um anthropogen verursachten Nährstoffmangel zu beheben und dient nicht einer Melioration der charakteristischen, standörtlich natürlichen Ertragskraft. Vor dem Hintergrund der Eutrophierungsproblematik ist die Verwendung von stickstoffhaltigen Düngern kein Bestandteil der Guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft.
  17. Kahlhiebverbot: Kahlhiebe sind einzelstammweise oder flächige Nutzungen größer 2 ha, die den Vorrat eines Bestandes auf weniger als 40 von 100 des standörtlich üblichen Holzvorrates absenken. Kahlhiebe sind auch einzelstammweise oder flächige Nutzungen größer als 0,5 ha, wenn infolge dieser Nutzung
    • eine erhebliche Beeinträchtigung des Bodens- und der Bodenfruchtbarkeit,
    • eine erhebliche Beeinträchtigung des Wasserhaushalts oder
    • eine erhebliche Beeinträchtigung sonstiger Waldfunktionen

    zu erwarten ist.

Um es noch einmal deutlich zu machen:

Dieser Kriterienkatalog spiegelt die derzeitige Gesetzeslage wider, in die auch naturschutzfachlich nicht akzeptable Kriterien eingeflossen sind (z.B. Einsatz von Pestiziden etc.). Für Nichtforstleute, die in der öffentlichen Diskussion und Kontrolle einen rechtsverbindlichen Kriterienkatalog grundsätzlicher Pflichten benötigen, ist hiermit zunächst eine brauchbare Basis gegeben.

Im Rahmen weitergehender naturschutzrechtlicher Regelungen, Selbstverpflichtungen durch Zertifizierungsprogramme und insbesondere der besonderen Gemeinwohlverpflichtung öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie der Landesforsten (LÖWE) ergeben sich teilweise weitaus schärfere Kriterien, die zu beachten und teilweise strikt einzuhalten sind.

Dieses Merkblatt dient der Einführung in die Materie und erhebt weder Anspruch auf materiell- oder formalrechtliche Richtigkeit oder Vollständigkeit. Es soll eine Grundlage weitergehender Recherchen bilden und dazu befähigen, die richtigen Fragen zu stellen.

BUND Kreisgruppe Landkreis Helmstedt, An der Stadtkirche 2, 38154 Königslutter

- www.bund-helmstedt.de

Verfasser: Karl-Friedrich Weber, Ackerwinkel 5, 38154 Königslutter

- E-Mail: KWeberBUND@aol.com

- Waldreferent des BUND Landesverband Niedersachsen


Anhang zum Merkblatt 1

Begriffbestimmung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN)

Waldentwicklungsphasen / Reifephase

Unter Waldentwicklungsphasen versteht man Abschnitte der Waldentwicklung, während dessen die Waldbäume eine bestimmte Dimension aufweisen. Die Definition der unterschiedlichen Waldentwicklungsphasen erfolgt durch die Länder anhand von Baumdimensionen (Brusthöhendurchmesser = BHD, Höhe) oder auch Alter.

Reifephasen von Wäldern sind gekennzeichnet durch das Vorhandensein von alten, starken Bäumen, die in einer Mindestdichte (Bestockungsgrad bzw. Kronenschlussgrad) vorkommen müssen.

Totholz

Abgestorbene Bäume oder abgebrochene Starkäste bzw. Kronenteile mit einem Durchmesser größer 30 cm bei Weichlaubholz (Birke, Erle, Weide), sonst größer 50 cm und Höhe bzw. Länge größer 3 m.

(Am stehenden Baum gilt der BHD, bei liegenden Bäumen/Baumteilen der Durchmesser am stärksten Ende. Alternativ können die Schwellenwerte durch die Länder auch als m³ / ha definiert werden).

Biotop- und Altbäume

sind insbesondere

Biotopbäume

  1. Höhlen- oder Horstbäume sowie
  2. Bäume ab BHD größer 40 cm mit Faulstellen, abfallender Rinde, Pilzkonsolen, abgebrochenen Kronen (die Länder können Modifizierungen vornehmen).

Altbäume sind i.d.R. älter als 150 Jahre und werden durch baumartenspezifische Mindest-BHD definiert. Die Mindest-BHD werden durch die Länder unter Beachtung der naturräumlichen und standörtlichen Gegebenheiten differenziert festgelegt. Nachfolgend sind Richtwerte für Altbäume auf gutwüchsigen Standorten zusammengestellt:

Buche, Eiche, Edellaubholz, Pappel BHD größer 80 cm,

Andere Baumarten BHD größer 40 cm.

Verhältnis der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft zur Eingriffsregelung

Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 BNatSchG stellt die Regelvermutung auf, dass die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung dann nicht als Eingriff anzusehen ist, wenn sie die Ziele und Grundsätze von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt. Das ist bei der Handhabung der guten fachlichen Praxis der Fall. Der Umkehrschluss lautet: Alles was nicht der guten fachlichen Praxis entspricht, ist als Eingriff im Sinne des BNatSchG zu bewerten.